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Marie Heitfeld erklärt den Teilnehmenden das Programm für einen Workshop im Begleitrogramm Handwerkszeug für Zukunftshandeln.

Handwerkszeug für Zukunftshandeln

Welche Skills wir für die Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft brauchen

In der BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung) ist schon lange Konsens, dass die Erarbeitung von Gestaltungskompetenzen im Mittelpunkt stehen muss, um Menschen den Schritt vom Wissen zum Handeln zu erleichtern.

Noch zu wenig diskutiert wird dabei die Frage, zu welchem Handeln BNE-Formate eigentlich befähigen. Zunehmend werden nun Stimmen lauter, dass Tipps für nachhaltigeres Alltags- und Konsumverhalten dem Ausmaß globaler Nachhaltigkeitskrisen nicht gerecht werden. Der Fokus auf die Reduktion des eigenen Fußabdrucks kann sogar „nach hinten los gehen“, wenn sich Fußabdruck-Tipps anfühlen wie ein Tropfen auf dem heißen Stein und in der Folge eher Resignation und Nicht-Handeln verstärken.

Multiplikator:innen, Lehrer:innen, Gruppenleiter:innen und andere Bildungsreferent:innen müssen sich also bewusster die Frage stellen, zu welchem Handeln ihre BNE-Formate befähigen sollen - um auch die für ein entsprechendes Handeln erforderlichen Kompetenzen ins Zentrum ihre BNE-Arbeit zu stellen. Sollen die Bildungsformate Lernende z.B. in die Lage zu versetzen, die eigene Schule/ Hochschule/ Arbeitsplatz/ Verein/ Religionsgemeinschaft (…) nachhaltiger gestalten zu können oder sich auf kommunaler, landes- oder bundespolitischer (...) Ebene für eine nachhaltigere Gesellschaft einsetzen zu können, so muss die Erarbeitung dafür erforderlicher Kompetenzen entsprechend Eingang in die Bildungsarbeit finden.

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Copyright: Germanwatch e.V. | Illustration: Dominik Bärenz
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Doch welche Kompetenzen brauchen wir für die Mitgestaltung einer sozial und ökologisch gerechteren Gesellschaft eigentlich? Im Rahmen des Projekts „Handwerkszeug für Zukunftshandeln“ sind wir dieser Frage nachgegangen. Wir haben fünf Gruppen in NRW für zwölf Monate in ihrem transformativen Engagement für eine gute Zukunft für alle begleitet.

In dieser Zeit haben wir bei den Gruppen vor Ort jeweils Workshops durchgeführt, die sich an ihren jeweiligen fachlichen, strategischen oder organisatorischen Fragen orientierten. Zum Abschluss kamen im Juni 2023 mehr als 50 Engagierte zur „Handwerkszeug für Zukunftshandeln“-Konferenz in Wuppertal zusammen, um sich weitere praktische Skills für ein wirkungsvolles Engagement zur erarbeiten, auszutauschen und zu vernetzen.

Das Foto zeigt 5 Menschen, die auf dem Boden sitzen und gemeinsam mit Hilfe von Moderationskarten eine Frage bearbeiten.

Themen und Skills für ein Nachhaltigkeits-Engagement

Im Folgenden geben wir einen kleinen Einblick in die verschiedenen Themen und Skills, die sich die Engagierten im Begleitprogramm und bei der Konferenz gewünscht haben und von denen wir glauben, dass sie für ein Nachhaltigkeits-Engagement, das über das eigene Konsumverhalten hinausgeht und wirkungsvoll an Strukturen und Rahmenbedingungen ansetzt, wichtig sind und daher stärker Teil von BNE-Angeboten sein sollten.

1. Von der Vision in die Umsetzung kommen

Wie stellen wir uns unsere Stadt / Hochschule/ Schule/ Betrieb/ Verein in einer idealen, nachhaltigen Zukunft vor? Welches Potential können Zukunftsbilder und gemeinsame Visionen im Nachhaltigkeitsengagement entfalten? Hier geht es darum, kreative Methoden anwenden zu können, mit denen Gruppen zunächst gemeinsame Visionen entwickeln, aber anschließend auch den Bogen von der Vision zur Strategieentwicklung schlagen können.

2. Veränderungsprozesse verstehen und die eigene Rolle darin reflektieren

Rauszoomen auf das “Bigger Picture”: Wir schauen uns mit Gruppen häufig Transformationsmodelle — also Modelle, die gesellschaftliche Veränderungsprozesse beschreiben — an und reflektieren, welche gesellschaftlichen Teilbereiche (Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Technologie...) hier wie zusammenspielen. Nach der Erarbeitung eines Grundverständnisses von Transformationsprozessen ist es für viele Engagierte sinnvoll, ein kritisches Verständnis dafür zu entwickeln, welche Akteure in ihren Umfeld welche Rollen bereits einnehmen (z.B. Innovator:innen, Pfadfinder:innen, Brückenbauer:innen, Bewahrer:innen) und in welcher Rolle sie ihre eigenen Stärken sehen. Dabei ist zum Beispiel auch relevant, welche Rollen bisher eher unbesetzt bleiben, aber sehr relevant wären. Vor diesem Hintergrund kann diskutiert werden, ob eine Gruppe ihre eigene Rolle und die damit einhergehenden Arbeitsweisen basierend auf diesem systemischen Blick noch einmal anpassen, um sich noch wirksamer für ihre Ziele einzusetzen.

3. Die wirksamsten Hebel für die eigenen Nachhaltigkeitsziele im eigenen Umfeld identifizieren

Um die begrenzten zeitlichen Ressourcen in ehrenamtlichen Kontexten nicht auf so viele verschiedene Projekte zu verteilen, dass am Ende keins gelingt, ist eine Priorisierung notwendig. Da viele engagierte Nachhaltigkeitsinitiativen sehr viele Ziele gleichzeitig haben, können hier Methoden und gute Moderationsfähigkeiten helfen, sich zu fokussieren. Dabei gilt es, die Hebel zu identifizieren, die sowohl ein großes Wirkpotential, als auch eine realistische Erfolgswahrscheinlichkeit haben, außerdem zu den Stärken der Gruppe passen und auf die möglichst viele Menschen Lust haben.

4. Grenzen und Potentiale bisheriger Strategien evaluieren

Wenn eine Gruppe sich zusammensetzt, um ein neues Projekt/ eine neue Strategie zu planen, lohnt es oft, auch einen Blick zurück zu werfen: Was hat in bisherigen Projekten und Kampagnen bereits gut geklappt? Wo sind die Ergebnisse des Engagements noch weit von den eigentlich gesetzten Zielen entfernt? Woran liegt das? Wo können die bisherigen Herangehensweisen angepasst werden? Was braucht die Gruppe dafür noch an zusätzlichen Skills, Ressourcen und Talenten? Um sich in solchen Analysen zu schulen,  kann es hilfreich sein, sich mit “Theories auf Change” auseinanderzusetzen und eine Theory of Change für das eigene Vorhaben zu entwickeln. Mit Plan B und C für besonders herausforderende oder entscheidende Punkte.

5. Meilensteine planen und andere Akteur:innen im Blick haben

Hilfreiche Methoden bei der Projektplanung im Engagement für Nachhaltigkeit sind die klassische Meilensteinplanung, bei der eine Gruppe – im besten Fall moderiert von einer Person — entlang eines Zeitstrahls wichtige Ereignisse, Entscheidungsmomente und Veranstaltungen visualisiert, die für das gemeinsame Vorhaben in den nächsten 2-3 Jahren relevant ist. Hier bietet sich auch eine „Rückwärtsplanung“ an, das heißt ausgehend von einem Erfolg im eigenen Engagement wird überlegt, was auf dem Weg dorthin passiert sein muss, um diese Schritte dann konkret anzugehen. Bei der Akteursanalyse nimmt die Gruppe alle möglichen Akteur:innen um sich herum in den Blick, analysiert, wer wie viel Einfluss auf den eigenen Projekterfolg hat, wer ihnen wie wohlgesonnen ist und welche Schlüsse sie daraus für die Zusammenarbeit mit anderen ziehen.

6. Kommunikationsstrategien entwickeln / Kampagnen planen

Wenn es darum geht, andere vom eigenen Nachhaltigkeits-Vorhaben zu überzeugen, Sorgen zu nehmen oder neue Mitstreiter:innen an Bord zu holen, ist eine explizite Reflexion über die Ziele und Zielgruppen der eigenen Kommunikation wichtig. Es kann zum Beispiel sinnvoll sein, verwendete Bilder und die eigene Ausdrucksweise an den Werten der Zielgruppen zu orientieren. Außerdem ist es hilfreich zu überlegen, welche Gefühle man bei der Zielgruppe ansprechen möchte und wie sich dies in der eigenen Kommunikation umsetzen lässt. Auch Zeit, Ort und Format der Kommunikation sind entscheidend. Kurz: Es empfiehlt sich, die eigenen Kommunikationsstrategie nicht nur der Intuition zu überlassen, sondern sich dafür explizit hinzusetzen und diese auszuarbeiten. Dabei können z.B. Planungsschablonen helfen.

7. Mit Entscheidungsträger:innen sprechen

Wer Strukturen und Rahmenbedingungen in seiner Stadt/Kommune, Schule/Hochschule, an seinem Arbeitsplatz oder im Verein hin zu mehr Nachhaltigkeit verändern möchte, kommt meist früher oder später ins Gespräch mit Entscheidungsträger:innen. Diese Gespräche fallen nicht jedem leicht. Einige Gesprächstechniken einzuüben, hilft daher vielen Engagierte selbstbewusster und klarer aufzutreten und im Dialog eher zu überzeugen. Zu Gesprächskompetenzen können sowohl Formen des aktiven Zuhörens gehören, als auch der Umgang mit Widerständen und Kommunikationsbarrieren. Auch eine gute Gesprächsvor- und nachbereitung kann erlernt werden, z.B. zu Fragen wie: Wie kontaktiere ich meine:n Gesprächspartner:in und bereite sie:ihn auf das Gespräch vor? Welche Gruppenmitglieder nehmen im Gespräch welche Rolle ein? Was sind die zentralen eigenen Argumente, was sind wahrscheinliche Gegenargumente? Was ist dem Gegenüber wichtig? Welche Gemeinsamkeiten gibt es, auf die man aufbauen kann? Wie wird das Gespräch nachbereitet und nächste Schritte nachgehalten?

8. Wertschätzende und konstruktive Moderation von Gruppenprozessen

Eine ebenfalls zentrale Kompetenz für ein langfristig gesundes und wirksames Nachhaltigkeitsengagement sind gute Moderationsfähigkeiten in der Gruppe. Eine gute Moderation fördert das Zugehörigkeitsgefühl verschiedener Personen in der Gruppe und kann zentral sein, um die Stimmung und Motivation in der Gruppe auch bei Rückschlägen hochzuhalten. Eine gute Moderation hilft, auch bei Meinungsverschiedenheiten Entscheidungen zu treffen und sich nicht regelmäßig um ähnliche Fragen im Kreis zu drehen. Dabei ist eine Sensibilität für die verschiedene Kommunikationsmuster und Bedürfnisse in der Gruppe genauso wie ein strategisches Gespür für die Ziele der Gruppe wichtig. Konstruktive und sensible Moderationstechniken können eingeübt und erlernt werden.

9. Nachhaltig mit den eigenen Ressourcen im Engagement umgehen

Wer sich “nach außen” für eine sozial und ökologisch nachhaltige Gesellschaft einsetzt, stößt früher oder später meist auch auf die Frage, wie sich mit den eigenen Ressourcen nachhaltig umgehen lässt. Herausfordernd für viele Engagierte kann insbesondere der Umgang mit Rückschlägen oder das Nein-Sagen sein – denn alle Nachhaltigkeitskrisen sind dringlich. Dabei hilft es, sich bewusst zu machen, was einen antreibt und was einem Energie gibt — sich regelmäßig Zeit zu nehmen, an entsprechenden Orten/ Menschen/ Tätigkeiten die eigenen Ressourcen aufzutanken. Aber auch die gegenseitige Wertschätzung noch so kleiner Beiträge und Erfolge in der Gruppe sowie eine grundlegende Akzeptanz für Auszeiten und das Nein-Sagen können erlernt werden und die gemeinsame Resilienz in einer Gruppe stärken.

Empowerment mit echtem Transformationspotential

Unserer Erfahrung nach braucht transformatives Engagement also eine ausgewogene Mischung aus Impulsen und Methoden zur Strategieentwicklung, ganz praktischen Kompetenzen politischen Handelns sowie ein Bewusstsein und Ansätze zur Förderung einer resilienten Zusammenarbeit in der Gruppe.

Natürlich kann und muss nicht jede:r, der sich für eine nachhaltigere Zukunft engagiert, alle diese Skills beherrschen. Je nach Vorlieben und Neigungen verteilen sich Tätigkeiten meist auf verschiedene Personen in Gruppen. Doch alle diese – und ganz sicher auch noch weitere – Kompetenzen und Teilbereiche können im Rahmen von transformativer BNE erarbeitet werden und sollten dort gefördert werden – zum Beispiel im Rahmen von Engagement-Begleitprogrammen. Denn je eher Menschen sich auch wirklich in der Lage fühlen, die Gesellschaft um sie herum nachhaltig mitzugestalten, desto eher fangen sie damit an.

Checklisten, Tipps, Methoden und Links zum Weiterlesen zu den obengenannten Bereichen arbeiten wir derzeit in einem ausfüllbaren “Projektkalender” auf, sodass weitere Engagierte von den Inhalten des Programm “Handwerkszeug für Zukunftshandeln” profitieren können. Der Kalender wird vorraussichtlich Ende des Jahres veröffentlicht und kann dann auf diesem Blog heruntergeladen werden.

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