Two-Loop-Modell
Teil 2 der Reihe Transformationsmodelle
Aus Sicht der Transformationsforschung „besteht die ‘Große Transformation‘ unserer Gesellschaften hin zu einem sozial und ökologisch global gerechten Zusammenleben nicht aus einer großen Transformation, sondern aus vielen kleinen sequenziell und parallel verlaufenden Transformationsprozessen in verschiedenen Subsystemen, die zu einem Wandel der gesellschaftlichen Entwicklung oder der Systemdynamik führen“ (Göpel/Remig 2014: 70). Dabei kommt es zu Ungleichzeitigkeiten und Brüchen.
Dieser Beitrag ist der zweite Teil einer Blog-Reihe zu vier verschiedenen Modellen, die erklären, wie wir die sozial-ökologische Transformation voranbringen können. Die vier Modelle erklären den Wandel auf ihre je eigene Art und Weise. Aus diesem Grund werden unterschiedliche Prozesse und Hebel als zentral wahrgenommen und auf dem Weg der Transformation können verschiedene Akteur:innen unterschiedliche Rollen einnehmen. Alle Modelle beinhalten wichtige Perspektiven für zivilgesellschaftliches Engagement und zeigen spannende Andockstellen für die Bildungsarbeit und unser Engagement auf. Die jeweils unterschiedlichen Schlussfolgerungen für die praktische Anwendung fassen wir für dich zusammen.
(Die Reihe schließt am 05.12.23 mit dem systemischen Modell von Germanwatch.)
Berkana's Two-Loop-Modell
In diesem Beitrag steht das Two-Loop-Model des Berkana-Institute im Fokus.
Das Berkana Institute begleitet Gemeinschaften, die sich gemeinsam auf den Weg in Veränderungsprozesse machen und dabei gesunde, resiliente und positive Verbindungen zwischen Menschen sowie zwischen Mensch und globalem Ökosystem in den Mittelpunkt stellen.
Leitende Idee: “Whatever the problem, community is the answer“
Zentrale Aussage
Zivilgesellschaftliche Akteur:innen können diverse Rollen einnehmen, um durch ihr Engagement den Wandel voranzubringen. Während das Modell des Smart CSO Labs diese auf drei Ebenen verortet, nimmt das „Zwei-Schlaufen-Modell“ des Berkana Institutes eine Einordnung mit Blick auf die Teilprozesse des Wandels vor und beschreibt dabei verschiedene Rollen, die Menschen in resilienten und wandelfähigen Gemeinschaften einnehmen können, um von einer Organisations- oder Lebensweise zu einer anderen zu kommen.
Die erste der beiden Schlaufen im Modell steht für ein altes System, das sein maximales Entwicklungsstadium erreicht hat und an seinem Höhepunkt angekommen ist. Ab hier beginnt der Niedergang des Systems. Zum gleichen Zeitpunkt beginnt sich ein neues, alternatives System – die zweite Schlaufe – zu entwickeln, das früher oder später das alte System ersetzen wird. Die sozial-ökologische Transformation stellt den Übergang eines nicht nachhaltigen Gesellschaftsmodells hin zu einem zukunftsfähigen dar.
Copyright: Germanwatch e.V. | Illustration: Benjamin Bertram
Die Abbildung zeigt, dass es unterschiedliche Rollen gibt, die wir in der Transformationsphase einnehmen können, um sie zu unterstützen. Dazu gehören:
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Innovator:innen (auch „Pionier:innen des Wandels“ genannt): Das "Zwei-Schlaufen Modell" benötigt für einen Wandelprozess Menschen, die bereits während das alte System noch der Standard ist, in lokalen Nischen an und in neuen Organisations-, Wirtschafts- und Lebensweisen arbeiten, als Pionier*innen Neues erproben und vorangehen.
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Pfadfinder:innen: Die Pfadfinder:innen suchen Wege, wie die neuen Innovationen durch Veränderungen in den Rahmenbedingungen und Strukturen zum neuen, einfacheren, standardmäßigen und naheliegenden „Normal“ und somit zu begehbaren Pfaden für die Mehrheit werden können. Es geht auch darum, Verknüpfungen zu schaffen zwischen Innovator*innen vor Ort und an unterschiedlichen Orten, damit die Nischen stärker werden und zusammenwachsen.
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Illuminator:innen: Die Illuminator:innen machen Städte/Kommunen oder einzelne Veränderungen bekannt, in denen bereits ein neuer nachhaltigerer und friedlicherer Standard Realität geworden ist. Sie halten die Vision, die den Wandel leitet, hoch, um sowohl die Menschen, die gerade in Veränderungsprozessen auf energieraubende Hindernisse stoßen, als auch jene, die sich noch nicht trauen, das Alte loszulassen, zu ermutigen.
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Bewahrer:innen: Die Bewahrer:innen gehen in den Dialog mit Menschen, die sich die Alternativen zum aktuellen System noch nicht vorstellen können, die Angst davor haben, Bekanntes loszulassen oder besorgt sind, durch Veränderungen vor allem etwas zu verlieren und diese Veränderungen daher eher aufhalten wollen. Sie helfen dabei, Altes loszulassen, aber zeigen auch auf, dass es auch positive Aspekte der alten Lebensform geben kann, die es lohnt, ins neue System zu übertragen und zu bewahren.
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Begleiter:innen des Strukturwandels: Die Begleiter:innen des Strukturwandels widmen sich den Teilen des alten Systems, die nicht ins neue System überführt werden können, weil sie dort keinen Platz mehr haben. Sie honorieren die Leistungen dieser Teilsysteme, die in der Vergangenheit sinnvoll waren, aber nun im neuen System nicht mehr passen. Eine wichtige Aufgabe der Begleiter:innen des Strukturwandels ist es, das würdevolle Abschiednehmen von diesen Teilsystemen zu gestalten und ein angemessenes Gedenken zu ermöglichen, wie zum Beispiel die Einrichtung eines zeitgeschichtlichen Museums.
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Brückenbauer:innen: Die Brückenbauer:innen sind ebenfalls mit Nachzügler:innen in Kontakt und zeigen ihnen, dass sie und ihre Sorgen gehört werden. Sie zeigen ihnen außerdem auf, was der Wandel alles an Positivem bereithält und wie sie auch in den neuen Organisations-, Wirtschafts- und Lebensweisen glücklich sein und ihre Bedürfnisse vielleicht noch besser erfüllen können - ohne anderes zu zerstören. Sie helfen Nachzügler:innen beim „Umzug“ in das neue System, indem sie neue Wege, Abkürzungen und Brücken dorthin schaffen.
Es ist wichtig, dass insgesamt keine Ebene bzw. Rolle vernachlässigt wird. Wenn alle zivilgesellschaftlichen Akteur:innen sich zum Beispiel auf das Pfadfinden und Ausprobieren neuer Innovationen für eine sozial-ökologische Transformation konzentrieren würden und keine:r sich in der Rolle sähe, die Nachzügler:innen und Zweifelnden abzuholen und Menschen in dem Prozess des Abschiednehmens von Altem und der Angst vor Neuem zu begleiten, wäre eher Widerstand als Verständnis wahrscheinlich. Genauso stockt ein Transformationsprozess, wenn zum Beispiel die Ebene des kulturellen Wandels vernachlässigt wird oder wenn sich die meisten Akteur:innen auf Protest und das Einfordern von Alternativen konzentrieren und sich nicht genügend Akteur:innen in einen Dialog mit den Entscheidungstragenden des aktuellen Systems begeben.
Key-Take-Aways
Was sind deine zentralen Take-Aways? Wir haben ein paar Pro und Kontras gesammelt, die du gerne hier aufklappen kannst. Und, vielleicht nimmst du dir dennoch kurz die Zeit selbst zu überlegen:
Wenn du an deine eigene Bildungsarbeit denkst: Was erklärt das Modell und was nicht? Wenn du an dein eigenes Engagement denkst: Wofür nützt es dir dieses Modell zu kennen? Wofür eher nicht?
- Anwendbarkeit auf große und kleine Systeme, zum Beispiel von der Erneuerung des Schulsystems bis hin zur großen Transformation
- Konkrete Rollen mit unterschiedlichen Aufgaben zur Unterstützung des Transformationsprozesses
- Strategie und Lösungswege beziehen alle gesellschaftlichen Gruppen ein – von Transformationsgegner:innen über Zweifler:innen und neutral Positionierte bis hin zu den Pionier:innen des Wandel
- keinen differenzierten Blick auf unterschiedliche Systemlogiken der Akteur:innen im bestehenden System (Politik, Wirtschaft,…)
- keine Anpassungsmöglichkeiten im alten System (außer dem Übertragen noch zeitgemäßer, sinnvoller Teile durch die Bewahrer:innen ins neue System), ein unausweichlicher Übergang in ein komplett neues System
Dieser Beitrag stammt ursprünglich aus der Publikation Transformation gestalten lernen und wurde von Marie Heitfeld und Alexander Reif geschrieben. Die komplette Broschüre zum Download gibt es hier.
Literatur
Göpel, M.; Remig, M. (2014): Mastermind of System Change. Karl Polanyi and the “Great Transformation”. In: GAIA – Ecological Perspectives for Science and Society 23(1): 70-72.
Firma und/oder Position im Unternehmen
Referentin Bildung für nachhaltige Entwicklung | Germanwatch e.V.
User Biographie
Ich bin Psychologin und beschäftige mich bei Germanwatch mit der Frage, was Menschen bewegt, aktiv zu werden. Ich entwickele Konzepte, Tools, Workshops und Materialien, die Menschen dabei unterstützen sollen, mit ihrem Engagement nachhaltig und strategisch strukturelle Hebel in Bewegung zu setzen. Ähnlichen Fragen gehe ich im Institut Futur im Rahmen des Nationalen Monitorings „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ auf wissenschaftlicher Ebene nach.
Firma und/oder Position im Unternehmen
Referent Bildung für nachhaltige Entwicklung | Germanwatch e.V.
User Biographie
Ich bin schon sehr lange bei Germanwatch und kann mich für vieles begeistern - von der Bürokratie der Europäischen union bis zu den Feinheiten menschlicher Psychologie. Und vor allem möchte ich es so aufschreiben, dass meine Begeisterung die Leser*innen ansteckt - und dass alle es verstehen.
Kommentare
wäre es auch möglich das 2-Ebenen-Modell individuell als Arbeitstool zur Verfügung zu stellen? Beispiel: Eure Grundgrafik https://www.handprint-hub.de/sites/default/files/styles/responsive_medium/public/2023-10/two-loop-model.jpg?itok=-LOiSZy4 Bewahrer*innen Autofahrer*innen, Brückenbauer*innen der ÖPNV und die Rafahrer*innen in einem Umweltverbund des Ländlichen Raumes (Bus mit Fahrradmitnhame (Beispiel Fahrrad to go Rems-Murr-Kreis). Illuminatur*inn*en: Haus ergänzen durch Bus mit Fahrradmitnahme, dicker Strang die Buslinie, dünner Strang mit (Pfadfinder*innen und aufleuchtende Birne) Radfahrer*innen (insbesondere Kinder/Jugendliche und Familien). https://www.handprint-hub.de/sites/default/files/styles/responsive_medium/public/2023-10/two-loop-model.jpg?itok=-LOiSZy4
Handeln durch wandeln.
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