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Illustration zu Gesprächssituation während der Fachtagung

Mehr psychologisches Fachwissen für die Nachhaltigkeitspraxis

Takeaways und Leitfragen aus der Reihe “Psychologie & Transformation”

In Kooperation mit dem transzent (Zentrum für Transformationsforschung und Nachhaltigkeit) hat der Bildungsbereich von Germanwatch e.V. über das Jahr 2024 eine Reihe von 3 Fachtagungen zum Thema “Psychologie & Transformation” organisiert. Ziel dieser Reihe war es, Wissenschaftler:innen aus Psychologie, Verhaltens- und Kommunikationswissenschaften mit Praktiker:innen zusammenzubringen, Einblicke in relevante Forschungsergebnisse aus der Psychologie und daran angrenzenden Wissenschaften zu geben und die Anwendung in der Entwicklung, Durchführung und Kommunikation von Nachhaltigkeitsprojekten zu fördern.

Was wir gelernt haben: zentrale Ergebnisse für Entscheidungsträger:innen

Um die Erkenntnisse auch weiteren Praktiker:innen zugänglich zu machen, die die Transformationsprozesse in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft vorantreiben, haben wir Kurzdossiers entwickelt. Darin fassen wir die Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung für Entscheidungsträger:innen zu den Schwerpunktthemen der einzelnen Fachtagungen zusammen und leiten Handlungsempfehlungen ab. Auf der ersten Seite befindet sich eine Zusammenfassung der jeweiligen Key Takeaways. Die anschließenden Kapitel geben einen tieferen Einblick in die dahinterliegende Forschung.

Kurzdossier "Wahrnehmung und Akzeptanz von Klimapolitik in Deutschland"

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Cover Kurzdossier Wahrnehmung
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Das Kurzdossier zur ersten Fachtagung widmet sich dem Thema „Wahrnehmung und Akzeptanz von Klimapolitik in Deutschland“. Es verdeutlicht, wie Menschen in Deutschland Klimapolitik wahrnehmen und welche individuellen und situativen Faktoren Einfluss darauf haben, ob eine Person eine klimapolitische Maßnahme für unterstützenswert hält.

Die vier Key Takeaways sind:

  1. Die tatsächliche Unterstützung für klimapolitische Maßnahmen wird von den meisten Menschen in Deutschland unterschätzt. Die Unterschätzung der Befürwortung in der Bevölkerung kann dazu führen, dass Menschen sich weniger nachhal-tig verhalten oder für weniger klimapolitische Ambition votieren, weil sie sich nicht „als Einzige“ einschränken möchten. Um dieser Fehleinschätzung entgegenzuwirken, sollten Entscheidungsträger:innen und Medienschaffende sich regelmäßig über aktuelle Zahlen zur Unterstützung von Transformationsprozessen informieren und diese verstärkt nach außen kommunizieren.
  2. Die Akzeptanz klimapolitischer Maßnahmen hängt von ihren Eigenschaften ab. Hier geht es darum, als wie effektiv, eingreifend, fair oder verhältnismäßig (Kosten-Nutzen-Bilanz) die Maßnahme selbst wahrgenommen wird. Diese Wahrnehmung ist wiederum geprägt von unseren persönlichen Werten, Einstellungen, den sozialen Normen in den Gruppen, die uns umgeben und den Medien, die wir konsumieren. Das heißt, die gleiche politische Maßnahme und die gleichen Fakten können von Menschen mit unterschiedlichen Gruppenzugehörigkeiten sehr verschieden wahrgenommen werden. Vor diesem Hintergrund sollten sich Entscheidungsträger:innen fragen, welchen Gruppen ihre Zielgruppen sich zugehörig fühlen, welche Werte und Normen ihnen besonders wichtig sind, wie sie Werte unterschiedlicher Zielgruppen in ihrer Kommunikation berücksichtigen können oder mit wem sie kooperieren können, um unterschiedliche Werte anzusprechen und Identifikationsmöglichkeiten zu bieten.
  3. Als wie unterstützenswert eine klimapolitische Maßnahme wahrgenommen wird, hängt auch von den Einstellungen und persönlichen Eigenschaften des:der Betrachters:in ab. Inwiefern sind sich Menschen des Ausmaßes der Nachhaltigkeitskrisen bewusst, denen eine Maßnahme entgegenwirkt? Inwiefern nehmen Menschen an, dass sie diesen Nachhaltigkeitskrisen selbst entgegenwirken können? Inwiefern halten sie das Eingreifen staatlicher Akteure für erforderlich? Damit hängt auch zusammen, wem sie die Verantwortung für Klimaschutz zuschreiben.
  4. Die Akzeptanz klimapolitischer Maßnahmen wird dadurch beeinflusst, inwiefern eine Person Vertrauen in staatliche Institutionen hat und annimmt, dass diese im Sinne des Gemeinwohls der Bevölkerung handeln. Die Förderung von Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen ist daher eine entscheidende Grundlage für ambitionierten Klimaschutz.

Leitfragen für die Nachhaltigkeitspraxis:

Am Ende des Kurzdossiers befindet sich außerdem eine Übersicht mit Leitfragen für den Transfer wissenschaftlicher Befunde in die Praxis.

Kurzdossier "Politische Meinungsbildung und Einstellungsänderung zu Klimapolitik"

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Cover Kurzdossier Politische Meinungsbildung
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Im Kurzdossier zur zweiten Fachtagung werden die Erkenntnisse zum Thema Kognition mit Blick auf die Ursachen politischer Meinungsbildung und Einstellungsänderung zu Klimapolitik aufbereitet. Dabei geht es um Fragen, wie: Wie denken Menschen in Deutschland über Nachhaltigkeitskrisen und Lösungsansätze nach? Welchen Einfluss haben Emotionen und Gruppenzugehörigkeiten auf unser Denken? Wie können wir mit extremen Meinungen und gesellschaftlicher Polarisierung umgehen und wann ändern Menschen ihre Einstellungen?

Die zwei Key Takeaways sind:

  1. Die individuelle „Voreingenommenheit“ sollte in der Klimakommunikation berücksichtigt werden. Zwar spielen wissenschaftliche Daten und Fakten eine wichtige Rolle für die zivilgesellschaftliche Wahrnehmung und die Bewertung von Klimarisiken. Dennoch haben unsere individuellen Werte, Emotionen, vorherige Einstellungen und unsere sozialen Gruppenzugehörigkeiten bei der Informationsverarbeitung und der anschließenden Meinungsbildung einen entscheidenden Einfluss darauf, wie wir klimapolitische Maßnahmen einschätzen und einschätzen wollen. In der Psychologie wird diese „Voreingenommenheit“, die uns die gleichen Informationen unterschiedlich einordnen lässt, als „motivierte Kognition“ bezeichnet. Praktiker:innen sollten das berücksichtigen, indem sie die Werte der Gruppe adressieren, sie mit den Prinzipien des nachhaltigen Handelns und des Klimaschutzes verbinden und den Klimawandel als persönliches Problem veranschaulichen.
  2. Politische und zivilgesellschaftliche Akteur:innen können der zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung entgegenwirken, indem sie das Vertrauen in politi-sche Entscheidungsprozesse und die dahinterstehenden Institutionen stärken. Durch die wachsende Polarisierung in (klima-)politischen Debatten werden Meinungsunterschiede deutlicher sichtbar und es entstehen zunehmend schwer versöhnliche soziale und politische Spannungen. Auch die Förderung „kognitiver Flexi-bilität“ kann zur Reduzierung extremer Einstellungen beitragen. Dabei wird die Offenheit für andere Sichtweisen erhöht und die Kompetenz des Einzelnen gefördert, sich an verändernde oder unerwartete Ereignisse anzupassen. Schließlich hat der „frame“ (Rahmen), in dem wir die Klimakrise strategisch thematisieren, großen Einfluss da-rauf, wie sie wahrgenommen wird.

Leitfragen für die Nachhaltigkeitspraxis:

Am Ende des Kurzdossiers befindet sich außerdem eine Übersicht mit Leitfragen für den Transfer wissenschaftlicher Befunde in die Praxis.

Kurzdossier "Emotionen und ihre Rolle für die politische Kommunikation der Klimakrise"

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Cover Kurzdossier zu Emotionen
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Im Kurzdossier zur dritten Fachtagung werden die Erkenntnisse zum Thema Emotion aufbereitet. Dabei stehen Persönlichkeitsentwicklung und Motivation im Kontext des Nachhaltigkeitshandelns sowie die Rolle von Emotionen für die klimapolitische Kommunikation im Fokus.

Die drei Key Takeaways sind:

  1. Emotionen spielen eine große Rolle dabei, wie Menschen Politik wahrnehmen und ob und wie sie politisch handeln. Herausforderungen, die mit der Transformation verbunden sind, lösen oft starke Gefühle aus. Diese können sowohl Treiber der Transformation sein, aber auch Widerstände nähren. Manche Akteur.innen versuchen durch populistische Strategien bewusst Gefühle auszulösen und so zu lenken, dass sie Transformationsbestrebungen verhindern. Akteur:innen der Transformation sollten sich dieser Dynamiken bewusst sein, um sich erstens vor Überraschungen schützen zu können und um zweitens Gefühle bei der Planung und Umsetzung mitzudenken, ernst zu nehmen und zu thematisieren. Drittens sollten politisch wirkende Praktiker:innen Emotionen gezielt adressieren. Dazu können sie bewusst kommunizieren, positive Geschichten und Visionen anbieten und die Ansprache von Gefühlen in ihre Strategie einbeziehen, ohne dabei populistisch zu werden.
  2. Emotionen sind keine rein individuellen Phänomene: Sie können ausgelöst, verstärkt oder verändert werden - durch kollektive Erzählungen und öffentliche Debatten. Die Art wie In den Medien und der Öffentlichkeit wird auf unterschiedliche Art über politische Themen gesprochen. Dies beeinflusst, wie Menschen den Themen gegenüber empfinden. Innerhalb kurzer Zeit können sich dadurch starke Widerstände gegenüber bestimmten Maßnahmen entwickeln. Akteur:innen der Transformation sollten versuchen, in öffentlichen Debatten präsent zu sein und eigene Geschichten und Deutungen anzubieten.  
  3. Es gibt keine einfachen Zusammenhänge zwischen Auslösern, Emotionen und Handeln. Es hängt vom Kontext, aber auch von Persönlichkeitsmerkmalen - wie etwa den intrinsischen Motiven einer Person - ab, welche Emotionen ausgelöst werden und zu welchem Handeln sie führen. Die gleichen Ereignisse können je nach Kontext und der Art und Weise, wie wir darüber sprechen, zu unterschiedlichen Emotionen führen. Gleichzeitig können die selben Emotionen aktivierend und motivierend oder aber hemmend sein. In der Praxis sollte versucht werden, auf die Werte und Eigenschaften der Zielgruppe einzugehen. Passgenaue Ansätze sind vielversprechender als Pauschallösungen. Hier bieten öffentliche Begegnungs- und Austauschräume sowie Instrumente der Beteiligung Möglichkeiten, in Kontakt zu kommen und herauszufinden, welche Werte und Bedürfnisse Zielgruppen haben. 

Leitfragen für die Nachhaltigkeitspraxis:

Am Ende des Kurzdossiers befindet sich außerdem eine Übersicht mit Leitfragen für den Transfer wissenschaftlicher Befunde in die Praxis.

Förderhinweis

Die Veranstaltungsreihe hat Germanwatch e.V. in Kooperation mit dem transzent (Zentrum für Transformationsforschung) der Bergischen Universität Wuppertal durchgeführt.

Mit finanzieller Unterstützung von Engagement Global mit Mitteln des BMZ sowie gefördert von der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen.

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Illustration Header: Benjamin Bertram

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