Image

Mobilitäts- & Rohstoffwende Hand in Hand

Die Verkehrswende darf keine reine Antriebswende sein
Bild
Text

Die Mobilitätswende muss vielseitiger sein als eine simple „Antriebswende“. Dieser Beitrag zeigt, dass es wichtig ist, verschiedene Prozesse im Bereich Mobilität zusammenzudenken, um einen übermäßigen Rohstoff- und Energieverbrauch zu verhindern.

Es braucht die Förderung neuer Technologien, einen gesellschaftlichen Konsens aber auch gezielte politische Weichenstellungen, um sowohl eine Mobilitäts- als auch eine Rohstoffwende gelingen zu lassen. 

Zu diesem Thema hat der Bereich Unternehmensverantwortung von Germanwatch eine illustrative Broschüre entwickelt, die weitere Fakten und Ansätze dazu liefert. Die Broschüre eignet sich, um Aufmerksamkeit für das Thema zu erzeugen und es beispielsweise mit Schüler:innen in Rahmen von BNE-Formaten aufzugreifen. 

Für die Arbeit mit Entscheidungsträger:innen ist außerdem dieses ausführlichere Positionspapier entstanden.

Ausgangslage

Die Gewinnung und die Verbrennung von Erdöl und Erdgas, das für Kraftstoffe wie Diesel und Benzin genutzt wird, ist verantwortlich für Giftstoffe in der Umwelt und der Atmosphäre und sorgt dafür, dass (zumindest der motorisierte) Verkehr zumeist Klima- und Umweltschädlich ist. Der Verkehrssektor in Deutschland verursacht beispielsweise jährlich mit ca. 22% nahezu ein Viertel der gesamten Treibhausgasemissionen des Landes [1] und ist der Sektor mit den geringsten Emissionsrückgängen. 

Um dem entgegen zu wirken, werden nun immer mehr Fahrzeuge elektrisch betrieben, zunehmend mit Ökostrom. Dadurch werden die schädlichen fossilen Brennstoffe und Schmierstoffe umgangen und Emissionen vermieden, außerdem sind Fahrzeuge mit Elektromotoren deutlich effizienter in der Energienutzung. 

Bild
Text

Die Lösung ist allerdings nicht ganz unkompliziert. Neben den technischen Herausforderungen entsteht ein erhöhter Bedarf an Metallen und Mineralen, die es für den Bau von Elektrofahrzeugen braucht. So benötigt ein Elektroauto beispielsweise durchschnittlich dreimal so viel Kupfer wie ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor [2]. Auch bei Lithium, welches vor allem für die Herstellung von Batterien bzw. Akkus gebraucht wird, hat sich die Nachfrage im letzten Jahrzehnt mehr als verdoppelt [3], nicht zuletzt weil für Elektromotoren besonders große, schwere und leistungsfähige Batterien benötigt werden. 

Der Abbau dieser Rohstoffe bedeutet ebenfalls schwerwiegende Eingriffe in die Umwelt und Bergbau geht in vielen Fällen mit Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen einher. Auf der einen Seite kann durch eine Umstellung von Verbrenner- auf Elektromotoren die Nutzung schädlicher fossiler Brennstoffe umgangen werden, andererseits erhöht sich dies indirekt auch die Schäden, die durch Abbau und Verarbeitung von Metallen und Mineralen entstehen. Würde durch eine Umstellung auf Elektromobilität also bloß Probleme an anderen Stellen ausgelöst?

Eins ist klar: Es kann jedenfalls nicht weitergehen wie bisher. Aktuell werden weltweit jährlich rund 4,6 Milliarden Tonnen Erdöl verbraucht und dadurch 12,2 Milliarden Tonnen CO2 ausgestoßen. Dabei sind weiterer schädlicher Stoffe wie Methan noch gar nicht mitgerechnet. Die Förderung von Öl führt regelmäßig zu Ölkatastrophen, die jedes Jahr Umwelt und Menschen massiv schädigen [4]. Gleichzeitig sollten aber natürlich nicht die Probleme, die durch Bergbau und Metallverarbeitung entstehen einfach die, die durch fossile Brennstoffe ausgelöst werden ersetzen. 

Eine Mobilitätswende muss daher so gestaltet sein, dass sie mit einer Rohstoffwende kompatibel ist. Das bedeutet, dass es eine Abkehr vom übermäßigen Verbrauch von Ressourcen geben muss, durch den die genannten Probleme vor allem verursacht werden. Der Rohstoffverbrauch muss also ganz generell eingeschränkt und die Kreislaufnutzung gestärkt werden. Die Rohstoffe, die es immer noch braucht, müssen, sofern sie nicht durch Recycling gewonnen werden können, nur unter Achtung von strengen Regeln für Umwelt- und Menschenrechten abgebaut werden. Wie kann so etwas in konkreten Fällen aussehen? 

Materialintensive E-Autos - Kupfer, Lithium und Aluminium

Der CO2-Ausstoß im Straßenverkehr in der EU steigt immer weiter. Im Jahr 2022 wurden rund 760 Millionen Tonnen CO2 im Straßenverkehr ausgestoßen, wobei Pkws und Motorräder mit 60 % den Hauptverursacher der Emissionen sind. Zunächst ist das eigentlich überraschend, denn die Fahrzeuge sind in den letzten Jahrzehnten immer effizienter und „sauberer“ geworden, stoßen also weniger Schadstoffe aus als ältere Modelle. Solche Einsparungen wurden allerdings durch eine steigende Gesamtanzahl von Autos und einen Trend zu schweren und hochmotorisierten Fahrzeugen wieder wettgemacht [5]. 

Bild
Text

Der Anteil an großen Fahrzeugen wie SUVs ist in den letzten 10 Jahren sogar um 80 % gestiegen [6]. Elektroautos stoßen selbst keine nennenswerten Giftstoffe aus, benötigen aber zu Herstellung viele Metalle und Minerale, wie Kupfer und Lithium, die oben genannt wurden. Außerdem haben diese durch die Batterien, ohnehin schon mehr Gewicht als Verbrenner bei gleicher Größe, der Trend zu größeren und schwerer Autos macht die Elektroautos zusätzlich materialintensiv und dabei sogar noch schwerer. 

Um dem Gewichtsproblem entgegen zu wirken, wird auf sehr leichte Materialien wie Aluminium gesetzt. Die Automobil- und Transportbranche bildet aktuell den größten Wachstumssektor für Aluminium. Für Europa wird ein Anstieg des Bedarfs in Europa bis 2030 um jährlich um 4,8 Tonnen vorausgesagt. Der Abbau von Bauxit zur Aluminiumherstellung findet vor allem außerhalb von Europa statt und ist mit Risiken wie Wasserknappheit verbunden [7]. Außerdem hat das Elektrolyseverfahren zur Aluminiumherstellung mit 15 MWh pro Tonne einen vergleichsweise hohen Stromerbrauch [8]. Dieser muss wiederum ebenfalls gewonnen werden, wofür wiederum Ressourcen aufgewendet werden müssen.

Ressourcenschonung bei Elektroautos

Damit insgesamt weniger Metalle beim Bau von Elektroautos benötigt werden, sollten diese so effizient wie möglich zu nutzen. Das bedeutet einerseits Rohstoffe, die bereits im Kreislauf sind so effizient wie möglich genutzt werden. Recycling ist dafür ein wichtiges Mittel. Um Rohstoffe, wie Kupfer und auch Aluminium zum Recycling zu finden, kann zum Beispiel verstärkt „Urban Mining“ betrieben werden. Das bedeutet das ein Rohstoff aus ausgedienten menschengemachten Produkten gewonnen wird, die sich im urbanen Raum und Mülldeponien finden [9]. Neben dem klassischen Recycling gibt es bereits Ansätze in der Automobilindustrie, bei denen bereits gebrauchte Teile aufbereitet und zu neuen Teilen zusammengebaut werden. Bei diesem sogenannten „Remanufacturing“ werden also Altteile für neue Fahrzeuge genutzt, ohne dass die metallischen Bestandteile erst einzuschmelzen. Dadurch kann viel Energie gespart werden und der Materialverlust ist äußerst gering. 

Natürlich kann aber auch nur das recycelt und wiederverwendet werden, was bereits im Kreislauf ist. Neben diesen Ansätzen zu einem schonenden Umgang mit bereits genutzten Rohstoffen, sollten aber auch an Alternativen gearbeitet werden, die die Menge an benötigten neuen Rohstoffen begrenzt. Ein Beispiel dafür sind alternative Batterien wie langlebige, lithiumfreie Natrium-Ionen-Batterien. Diese sind allerdings schwerer als Lithiumbatterien und sind aktuell noch nichts o leistungsstark [10]. Die Forschung beschäftigt sich aber schon damit, deren Leistungsfähigkeit zu verbessern [11]. Um die Nachfrage nach neuen Primärrohstoffen, die erst durch Bergbau gewonnen werden müssen, zu begrenzen ist neben der Forschung an solchen neuen Technologien auch eine wichtige Stellschraube das Einschränken des Verbrauchs. Das Auto ist neben seiner praktischen Komponente als Fortbewegungsmittel auch oft ein Statussymbol – desto größer und schwerer desto eindrucksvoller. 

Bild
Text

Um den Materialbedarf und so den Rohstoffverbrauch zu begrenzen, ist es erforderlich gesellschaftlich umzudenken. Wenn mehr bedarfsorientierte und kleinere Autos nachgefragt würden, könnte deutlich an Metallen und Mineralen gespart werden. Wenn jährlich 30 % der Neuanschaffungen Kleinwagen wären, würde der Bedarf an den wichtigsten Metallen wie Aluminium und Kupfer bis 2050 um rund 7,8 Millionen Tonnen sinken. Durch einen Umstieg auf andere Verkehrsmittel als neuer Privatautos, würde der Verbrauch noch mehr sinken. Durch 10 % weniger Neuzulassungen im Jahr könnten bis 2050 10,4 Millionen Tonnen der benötigten Metalle eingespart werden [12].

Wir brauchen eine umfassende Mobilitätswende!

In der Automobilindustrie wird derzeit ein erheblicher Bedarf an Metallen verzeichnet – und sollte der Wechsel von Verbrennungs- zu Elektromotoren vollzogen werden, könnte die Nachfrage nach Metallen sogar noch steigen. Um dem entgegenzuwirken, sollten Metalle wie Kupfer und Aluminium so lange wie möglich im Kreislauf erhalten werden um den Bedarf an neuen Rohstoffen zu begrenzen. 

Bild
Text

Die Recyclingquote der benötigten Metalle kann unter anderem beispielsweise durch Urban Mining gesteigert werden, während Remanufacturing zur Wiederverwendung von Altteilen gefördert werden sollte. Der Automobilsektor hat hierbei das Potenzial, eine Vorreiterrolle einzunehmen und zudem die Forschung an alternativen Technologien wie lithiumfreien Natrium-Ionen-Batterien voranzutreiben. Gleichzeitig gilt es, dem Trend zu immer größeren Fahrzeugen entgegenzuwirken und stattdessen auf kleinere, materialsparende Neuwagen zu setzen, sofern Bedarf besteht. Durch die Nutzung gemeinschaftlicher oder alternativer Verkehrsmittel würde zudem der Metallbedarf sinken, um dieselbe Anzahl von Menschen ans Ziel zu bringen.

Um eine nachhaltigere Mobilität zu erreichen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass nicht durch den erhöhten Bedarf an Metallen und Mineralen neue Probleme entstehen, muss eine Verkehrswende also mit einer Rohstoffwende verknüpft werden. Obwohl das Prinzip „Elektro statt Verbrenner“ richtig und von großer Bedeutung ist, greift dieser Ansatz als alleiniger Lösungsweg zu kurz. Die Mobilitätswende muss umfassender sein als eine bloße „Antriebswende“. Es bedarf eines Zusammenspiels mehrerer Komponenten, um echte Alternativen zu schaffen und verschiedene Ebenen miteinander zu verknüpfen. Einerseits ist die Förderung neuer Technologien notwendig, andererseits sind ein breiter gesellschaftlicher Konsens sowie gezielte politische Maßnahmen unerlässlich, um den Wandel erfolgreich zu gestalten. 

Verwendete Literatur

[1] Global Fuel Economy Initiative, 2023, Trends in the Global Vehicle Fleet 2023, http://www.globalfueleconomy.org/media/792523/gfei-trends-in-the-global-vehicle-fleet-2023-spreads.pdf (letzter Aufruf: 9.12.2024), Umweltbundesamt, 2024, Emissionen des Verkehrs, www.umweltbundesamt.de/daten/verkehr/emissionen-des-verkehrs#strassenguterverkehr (letzter Aufruf: 10.12.2024).

[2] Kupfer.de, 2020, E-Mobilität: Studie zeigt: Nachfrage nach Kupfer wird steigen, www.kupfer.de/studie-zeigt-nachfrage-nach-kupfer-wird-steigen/ (letzter Aufruf: 9.12.2024), Jeffs; James, James Edmondson and Alex Holland, 2024 Copper Demand for Cars 2024-2034: Trends, Utilization, Forecasts, http://www.idtechex.com/en/research-report/copper-demand-for-cars-2024-2034-trends-utilization-forecasts/973 (letzter Aufruf: 10.12.2024).

[3] DERA, 2023, DERA Rohstoffinformationen Nr. 54 Rohstoffrisikobewertung – Lithium, https://www.deutsche-rohstoffagentur.de/DE/Gemeinsames/Produkte/Downloads/DERA_Rohstoffinformationen/rohstoffinformationen-54.pdf?__blob=publicationFile&v=2https://www.deutsche-rohstoffagentur.de/DE/Gemeinsames/Produkte/Downloads/DERA_Rohstoffinformationen/rohstoffinformationen-54.pdf?__blob=publicationFil (letzter Aufruf: 10.12.2024).

[4] Greenpeace, 2022, Ölkatastrophen weltweit. Wie Erdöl unsere Umwelt zerstört und das Klima verpestet, http://www.greenpeace.de/klimaschutz/energiewende/oelausstieg/oelkatastrophen-weltweit (letzter Aufruf: 05.12.2024). 

[5] Statistisches Bundesamt, 2024, Straßenverkehr. EU-weite CO2-Emissionen seit 1990 um 24 % gestiegen, http://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Umwelt-Energie/CO2_Strassenverkehr.html (letzter Aufruf: 09.12.2024).

[6] Umweltbundesamt, 2024, Emissionen des Verkehrs, www.umweltbundesamt.de/daten/verkehr/emissionen-des-verkehrs#strassenguterverkehr (letzter Aufruf: 10.12.2024).

[7] PowerShift, 2024, Metallverbrauch senken: Praktische Vorschläge zur Gestaltung der Rohstoffwende, https://power-shift.de/wp-content/uploads/2024/03/Hintergrundpapier_Metallverbrauch-senken_PowerShift.pdfh(letzter Aufruf: 10.12.2024).

[8] Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, 2021, Rohstoffe für die E-Mobilität Entwicklungspolitische Perspektiven, www.bmz.de/resource/blob/86342/rohstoffe-fuer-e-mobilitaet.pdf (letzter Aufruf: 08.12.2024).

[9] Recycling magazin, 2018, Nachhaltigkeit als Innovationsmotor, www.recyclingmagazin.de/2021/08/19/kupfer-mit-schluesselrolle-in-nachhaltiger-entwicklung/hiu-batteries.de/die-batterie/nachhaltigkeit/ (letzter Aufruf: 6.12.2024).

[10] Helmholtz Institute Ulm (HIU), 2021, Nachhaltigkeit & Batterieforschung, https://hiu-batteries.de/die-batterie/nachhaltigkeit/ ( letzter Aufruf: 11.12.2024).

[11] EnBW Magazin, 2024, Natrium-Ionen-Akku: Was macht die Technologie so interessant?, https://www.enbw.com/blog/elektromobilitaet/laden/natrium-ionen-akku-was-macht-die-technologie-so-interessant/. (accessed 11 december 2024)

[12] PowerShift, 2024, Metallverbrauch senken: Praktische Vorschläge zur Gestaltung der Rohstoffwende, power-shift.de/wp-content/uploads/2024/03/Hintergrundpapier_Metallverbrauch-senken_PowerShift.pdf (letzter Aufruf: 10.12.2024).

Schreibe einen Kommentar