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Das Foto zeigt ein etwa 5 Jahre altes Kind, das mit einer selbstgemachten Seifenblasenmaschine experimentiert. Es sieht sehr fasziniert aus.

Von Seifenblasenmaschinen und Klimawandel

Wie inklusive transformative Bildung gelingen kann

„Bildung“ kann man einem Menschen nicht beibringen. Bildung zu erwerben bedeutet vielmehr für jedes Kind und jeden Jugendlichen eine Auseinandersetzung mit sich selbst und mit der Umwelt zu führen. Jede:r muss eigene Erfahrungen machen dürfen, vielfältige Perspektiven kennenlernen, einschätzen und berücksichtigen.

Daher können wir Bildungsprozesse bei Kindern nicht erzeugen, sondern lediglich unterstützen. Das klingt sehr einfach, doch es erfordert von uns Pädagog:innen eine Einlassung auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes. Wir müssen das Kind in den Blick nehmen: was könnte dieses Kind, das hier vor mir steht, an meinem Thema interessieren? Wie ist sein Erfahrungsschatz? Wie ist seine persönliche Verfassung? Wo kann es andocken? 

In diesem Beitrag zeigen wir die Grundprinzipien einer kindgerechten Bildung für nachhaltige Entwicklung auf und greifen dafür auf unsere Erfahrung als Pädagog:innen bei Abenteuer Lernen e.V. zurück.

Der Bonner Verein Abenteuer Lernen e.V. ist seit 2017 BNE-Regionalzentrum.

Als außerschulischer Lernort schafft der Verein Erfahrungsräume, in denen Kinder und Jugendliche Aufgaben begegnen, die sie herausfordern und ganz in Anspruch nehmen. Entdecken, Forschen, Ausprobieren und Experimentieren stehen im Vordergrund. Das Prinzip heißt: Selber machen, selbst entdecken!

Abenteuer Lernen wurde als Lernort von der Deutschen UNESCO-Kommission vielfach ausgezeichnet und erhielt in 2023 den Nationalen BNE-Preis.

Wesentlich ist, dem jungen Menschen zu ermöglichen, die Dinge anzufassen, die Stofflichkeit zu erfahren, zu experimentieren, auszuprobieren, und ihnen vor allem auch die Chance geben, Fehler zu machen und es neu zu versuchen. Erst dadurch wird es möglich, sich die Dinge selbst zu erschließen und ein tieferes Verständnis für Zusammenhänge zu entwickeln.

Nehmen wir das Recht eines Kindes auf Bildung ernst, dann verstehen wir uns nicht als Lehrer:innen, sondern als Begleiter:innen, wir befinden uns auf Augenhöhe, wir gehen gemeinsam mit ihm auf Entdeckungsreise. Indem wir die Kinder selber machen und ausprobieren lassen, ermöglichen wir jedem Kind auf seinem Level einzusteigen. Der erfahrungsorientierte Ansatz ist der Schlüssel zur Inklusion. 

Wie funktioniert dies in der pädagogischen Praxis?

Setzen wir uns mit einem der drängendsten Probleme unserer Zeit auseinander, dem Klimawandel. Es liegt auf der Hand, dass wir Kindergartenkinder oder junge Schulkinder nicht mit Katastrophenszenarien füttern dürfen. Wir dürfen Sie auch nicht mit „Wissen“ überfrachten, das sie noch nicht begreifen können. Wie kann ich das Thema altersgerecht aufbereiten, damit nicht Angst vor der Zukunft, sondern Zuversicht und Handlungsfähigkeit entstehen? Was können Kinder verstehen? Wo müssen wir ansetzen?

Was sollen Kinder/Jugendliche lernen, damit es allen Menschen auf der Welt dauerhaft gut geht? Die UNESCO nennt 10 verschiedene Kompetenzen als besonders relevant für eine Bildung für nachhaltige Entwicklung. Menschen sollen in die Lage versetzt werden …

  • Wissen zu erwerben
  • Probleme und Konflikte zu lösen
  • zu kommunizieren und auszuhandeln
  • Systeme zu analysieren
  • sich der Zukunft zu stellen
  • über Werte nachzudenken
  • sich einzubringen und zu kooperieren
  • Perspektiven zu wechseln
  • inklusiv zu denken und zu handeln
  • Solidarität und Mitverantwortung zu zeigen.

(Aus dem Handbuch für die Verankerung von BNE von UNESCO MGIEP, 2017: 27)

Transformative Bildung beginnt ganz früh

Schon im Kindergartenalter können „Experimente mit der Luft“ ein grundlegendes Verständnis dafür wecken, dass Gase „nicht Nichts“ sind, dass unterschiedliche Gase unterschiedliche Eigenschaften haben. Dabei hilft natürlich der Spieltrieb eines jeden Kindes. Schritt für Schritt wird die Luft mit einem Becher in eine Schüssel voller Wasser gedrückt und so sichtbar und hörbar gemacht. Vom Gummibären-U-Boot bis zur Seifenblasenmaschine, von der Tornadoflasche bis zum Ei, das in die Flasche gezaubert wird, reichen die Experimente, mit denen die Kinder sich einen ersten Einblick in die Welt der Gase verschaffen. Die vielfältigen haptischen und sinnlichen Erfahrungen tragen bei zu einem tiefen Verstehen. Darauf kann später aufgebaut werden, wenn es um das Wettergeschehen oder schließlich auch um Klimaveränderungen geht.

Niemals indoktrinieren

In jedem Alter ist es wichtig, den Erfahrungshorizont und die Lebenswelt des Kindes oder des Jugendlichen zu berücksichtigen. Transformative Bildung hat sehr viele Aspekte. Das Ziel von Abenteuer Lernen ist es, alle Menschen auf dem Weg mitzunehmen und zu transformativem Handeln zu befähigen. Insbesondere auch Kinder und Jugendliche aus benachteiligenden Lebensverhältnissen werden angesprochen. Nie steht die inhaltliche, moralische Botschaft im Zentrum oder gar die Handlungsempfehlungen: Tu dies, tu das! Viel wichtiger ist das Hinhören, das Ernstnehmen, die Wertschätzung, das Besprechen der Themen. 

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Quelle: Abenteuer lernen e.V.
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Wir fassen fossile Energien wie Braun- und Steinkohle an, wie schnuppern am Erdöl, wir testen den Energiegehalt von fossilen und nachwachsenden Stoffen durch Verbrennungsexperimente. Von der Dampfmaschine über die Solarzelle bis zum Wasserstoffmotor wird alles ausprobiert und über die Vor- und Nachteile gemeinsam nachgedacht.

Soziale, ökologische und ökonomische Bedingungen in den Produktionsländern werden zum Thema. Kaum ein Kind, kaum ein Jugendlicher, der nicht ins Nachdenken kommt und das eigene Handeln automatisch in den Blick nimmt.

Partizipation und Kinderrechte

Indem Kinder jeden Alters, jeder Bildungsstufe sich ihren momentanen Fähigkeiten gemäß einbringen dürfen, gefragt werden zu ihren eigenen Gedanken, ermutigt werden zur eigenen Lösung, erwerben sie die Kompetenzen, die sie – oder sagen wir besser wir alle auf der Erde - benötigen, um transformativ handeln zu können, Probleme und Konflikte zu lösen, Solidarität und Mitverantwortung zu zeigen. So seltsam es klingt: Aber transformative Bildung kann durchaus in der Wasserschüssel beginnen.

Ihr sagt: „Der Umgang mit Kindern ermüdet uns.“ Ihr habt Recht. Ihr sagt: „Denn wir müssen zu ihrer Begriffswelt hinuntersteigen. Hinuntersteigen, uns herabneigen, beugen, kleiner machen.“ Ihr irrt euch. Nicht das ermüdet uns. Sondern, dass wir zu ihren Gefühlen emporklimmen müssen. Emporklimmen, uns ausstrecken, auf die Zehenspitzen stellen, hinlangen. Um nicht zu verletzen.

(Vorwort an den erwachsenen Leser in der Schrift „Wenn ich wieder klein bin und andere Geschichten von Kindern von Janusz Korczak)

Ansprechpartner:innen:

Birgit Kuhnen (Diplom-Biologin, Abenteuer Lernen e.V.) & Dr. Erika Luck-Haller (Diplom-Biologin und Pädagogin, M.A., Abenteuer Lernen e.V.)

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Abenteuer Lernen e.V.
Anerkannter Träger der Freien Jugendhilfe

Siebenmorgenweg 22 (Tapetenfabrik Bonn-Beuel, Künstlerhof)
53229 Bonn
Telefon 0228 - 44 29 03
https://www.abenteuerlernen.org/

Publikationen und Material von Abenteuer Lernen e.V. für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen

BNE konkret – Broschüre für den Kindergarten

Zum Landesportal über und für Bildung für nachhaltige Entwicklung in Nordrhein-Westfalen geht es hier

Literatur

Korczak, J. (1973): Wenn ich wieder klein bin und andere Geschichten von Kindern. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. URL: https://doi.org/10.25656/01:1446

UNESCO MGIEP (Vereinte Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur Mahatma Gandhi Institute of Education for Peace and Sustainable Development) (2017): SCHULBÜCHER FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG: Handbuch für die Verankerung von Bildung für Nachhaltige Entwicklung. New Dehli. Übersetzt durch Mittel von Engagement Global gGmbh und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Bonn. URL: https://www.globaleslernen.de/sites/default/files/files/pages/handbuch_verankerung_bne_schulbuechern_mgiep_bf.pdf

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