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Eine Person sitzt mit dem Laptop auf dem Schoß auf einem Stuhl und schaut sich das Padlet mit den Forderungen an.

Wir wollen #Mitmischen!

Warum die Beteiligung junger Menschen kein Adventskranz sein darf

Im Jugendbeteiligungsprojekt #MitmischenNRW entwickeln junge Menschen Forderungen an ihre politischen Vertreter:innen. Die Jugendlichen wollen damit die bisher fehlende junge Sicht auf nachhaltigkeitspolitische Strategien und Entscheidungen einbringen. Das Herzstück ihrer über 100 Forderungen zur Überarbeitung der NRW Nachhaltigkeitsstrategie sind ihre Ideen zur Verankerung von Jugendbeteiligung im Land Nordrhein-Westfalen.

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Welche Rolle spielen junge Perspektiven in unserer Demokratie und welches Versprechen gegenüber Kindern und Jugendlichen hat Deutschland noch einzulösen?

Schaut euch hier unseren kurzen Film zum Projekt an!

"Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut"

Diesen Spruch habt ihr bestimmt schon einmal gehört. Oder sogar selbst mitgerufen, als eine:r von hunderttausenden bei den in ganz Deutschland stattfindenden Demonstrationen für mehr Klimaschutz. Der Demospruch richtet sich klar an diejenigen in der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die über die Sicherheit der Zukunft der Jugendlichen entscheiden.

Die Forderung an ihre demokratisch (wenn auch nicht von ihnen) gewählten Vertreter:innen ist deutlich: vergesst bei euren Entscheidungen nicht unserer Zukunft. Der Wunsch nach einer Zukunft, die nicht nur für die Lebenszeit der Babyboomer und Millenials eine Lebensgrundlage bietet, sondern auch für die GenZ und nachfolgende Generationen.

Empowerment und Frustration

2019 haben wir jungen Menschen mit dem Aufschwung der globalen Fridays for Future Proteste erlebt, wie das Thema der Klimakrise und die Forderungen unserer Generation zum Schutz unserer Lebensgrundlagen mediale, gesellschaftliche und politische Aufmerksamkeit bekommen hat. Trotz anhaltender Proteste, Zusammenschlüssen von Gruppen und Organisationen, politischen und zivilgesellschaftlichen Debatten, blieb die geforderte umfassende Transformation aus.
 
Heute, 4 Jahre später, zeigt sich die Frustration deutlich: 3 von 4 Jugendlichen sind pessimistisch, wenn sie an die Zukunft von Umwelt und Klima denken und jede Zweite Person Angst vor den Folgen des Klimawandels (BMUV 2022). Dabei fühlen sich die Hälfte der jungen Deutschen traurig, wütend und machtlos und 80% sind enttäuscht von der Politik, weil sie die Anliegen der jungen Generation zu wenig beachte (BMUV 2022).

(Un-) faire Repräsentation: Die gefühlte Unterrepräsentation junger Anliegen in der deutschen Politik zeigt sich auch im Bundestag wieder. Obwohl junge Menschen (unter 30 Jahren) 30 Prozent der Bevölkerung ausmachen (Statista 2023), sind gerade einmal sechs Prozent der Abgeordneten im Bundestag unter 30 Jahren (Statista 2021).

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Cover der Studie des BMUV Zukunft? Jugend Fragen 2021
Quelle: BMUV 2022
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Wir haben ein Recht auf Beteiligung

Ein Weg das Ungleichgewicht auszugleichen ist durch fairere Repräsentation, indem mehr Menschen unter 30 Jahren in politische Ämter ermöglicht werden. Doch was ist mit den 14 oder 17-jährigen, die für ihre Zukunft auf die Straßen gehen? So schnell können sie keine Abgeordnete werden und das sollten sie auch gar nicht brauchen, um Gehör zu finden.
 
Es müssen andere Formen der Mitsprachemöglichkeit geschaffen werden, die jungen Menschen niedrigschwellig Zugang zu politischen Debatten schafft und sie gleichberechtigt an diesen teilhaben lässt. Partizipation ist für junge Menschen wie mich eine Chance, meine Bedürfnisse, Sorgen und Forderungen an die Menschen zu tragen, die darüber Entscheidungsmacht haben. Soweit der Win für die Jugend, doch:

Partizipation ist Win-Win

Denn von mehr Mitsprachemöglichkeiten für junge Menschen profitiert gesamtgesellschaftlich der Rückhalt unseres demokratischen Systems. Durch Patizipationsformate bekommen junge Menschen erste Berührungspunkte mit demokratischen Aushandlungsprozessen. Sie lernen über lokale, nationale und supranationale Entscheidungsebenen, finden ihre Position als Interessensgruppe, erleben Interessens- und Zielkonflikte und entdecken demokratische Lösungsansätze für diese.

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Eine Teilneghmerin zeigt auf das Padlet mit den gesammelten Forderungen, das auf einem großen Bildschirm zu sehen ist.
Copyright: Germanwatch e.V.
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Erst das Lernen, Erleben und Mitgestalten bringt die Demokratie zum Leben. Und die bleibt nur dann stabil, wenn der Nachwuchs der Nation hinter ihr steht und sie aktiv mit Leben füllt. Besonders in Zeiten des Vertrauensverlustes in Politik muss jungen Menschen aufrichtige Mitsprache ermöglicht werden. Darauf haben junge Menschen sogar ein Recht.

Wir haben ein Recht auf Beteiligung

Kinder und Jugendliche sollen, wie in der UN-Kinderrechtskonvention (Artikel 12) festgeschrieben, in alle sie betreffenden Verfahren eingebunden und beteiligt, um ihre Gegenwart und Zukunft aktiv mitgestalten zu können (UNICEF 1989). Das haben 196 Staaten unterzeichnet. Während es bei uns in Deutschland viele Beispiele von gelungener Kinder- und Jugendbeteiligung gibt, hängt der Erfolg dieser Projekte aktuell noch stark am politischen Willen. Ausbaufähig ist besonders die Verankerung von Beteiligungsrechten und -formaten auf Bundes-, Landes- und kommunaler sowie internationaler Ebene.

Vom Adventskranz zum Fundament unseres Hauses

Stellen wir uns unsere Demokratie als Haus vor. Das Haus hat ein Fundament aus Werten und Gesetzen, einen Keller mit komplexen politischen Systemen und Kabeln, die sie verbinden. Oben ist der Esstisch, der Austragungsort politischer Debatte. Im Obergeschoss spielt die Bevölkerung und im ausgebauten Dach ist Raum für zukünftige Generationen. Jugendbeteiligung war in diesem Haus bisher leider oft der Adventskranz an der Haustür, ein saisonales Schmuckstück für die gute Außenwirkung.

Könnte ich unser Haus renovieren, würde ich sicherstellen, dass Jugendbeteiligung, die in der UN Kinderrechtskonvention festgeschrieben ist, bereits in das Fundament eingelassen wird. Im Keller sollte sie einen eigenen Raum bekommen, am Esstisch einen Stuhl mit Sitzerhöhung, um auf Augenhöhe zu mitdiskutieren. Im Spielzimmer eine Modelleisenbahn, um die Ideen der jungen Bevölkerung per Direktverbindung an den Verhandlungstisch zu transportieren. Kurz gesagt: junge Menschen sind überall dabei und reden mit, wo es um ihre Zukunft geht. Und das nicht nur punktuell, sondern im ganzen Haus verankert. Das ist eine der Forderungen der Jugendlichen im Beteiligungsprojekt #MitmischenNRW.

Aylin Lehnert gibt ein Interview zum Projekt Mitmischen

Ein Teilnehmer der Konferenz sitzt vor den SDGs

Jetzt heißt es #MitmischenNRW!

Jugendliche aus ganz Nordrhein-Westfalen haben im Rahmen des Projektes #MitmischenNRW Forderungen zur Verankerung von Jugendbeteiligung in nachhaltigkeitspolitischen Prozessen entwickelt. Darin fordern sie unter Anderem einen Jugendcheck durch ein junges Gremium, das bei Gesetzesentwürfen die Folgen der Entscheidung für aktuelle und zukünftige Generationen abwägt. Im Zweifel soll das Gremium bei zukunftsgefährdenden Entscheidungen ein Veto einlegen können. Es sollen neue niedrigschwellige Jugendbeteiligungsformate geschaffen werden, die besonders nicht- bzw. unterrepräsentierten Gruppen von jungen Menschen gerechte Teilhabe ermöglichen. Die Jugendbeteiligungsformate müssen ehrlich und transparent zeigen, wo die jungen Menschen mitwirken können. Je nach Thema sollte auf intensiven Austausch unter fachlicher Unterstützung oder auf schnelle und digitale (Umfrage-)Formate zurückgegriffen werden. Besonders wichtig ist den Jugendlichen, dass diese Mitsprachemöglichkeiten nicht als Einzelprojekte entstehen, sondern kohärent mit einer Jugendbeteiligungsstrategie entstehen und fest im politischen System verankert werden.

Wo soll es noch #Mitmischen heißen?

In Nordrhein-Westfalen haben sich junge Menschen zusammengeschlossen und treten für ihre Mitsprache ein. Wie schaut es in deinem Bundesland aus? Welche Ideen hast du für die Beteiligung junger Menschen in Nachhaltigkeitspolitik? Schreibe uns deine Ideen in die Kommentare!

Literatur:

BMUV (2022): Studie „Zukunft? Jugend fragen! – 2021“. Herausgegeben vom Bundesumweltministerium und dem Umweltbundesamt. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/zukunft_jugend_fragen_2021_bf_0.pdf 

Statista (2023): Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland zum 31. Dezember 2022. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1351/umfrage/altersstruktur-der-bevoelkerung-deutschlands/ 
 
Statista (2021): Anteil der unter 30-Jährigen im 20. Deutschen Bundestag im Vergleich zur Gesamtanzahl der Sitze je Partei. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1266404/umfrage/unter-30-jaehrige-im-20-deutschen-bundestag-nach-partei/ 
 
UNICEF (1989):
Die UN-Kinderrechtskonvention. Regelwerk zum Schutz der Kinder weltweit. https://www.unicef.de/informieren/ueber-uns/fuer-kinderrechte/un-kinderrechtskonvention 

 

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