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Marie Heitfeld eröffnet die zweite Fachtagung

Forschung-Praxis-Austauschreihe zu Psychologie & Transformation

“Wir sind mehr, als wir glauben!” Dieses optimistische und ermutigende Fazit verkündeten Teilnehmende nach der ersten Fachtagung der Forschung-Praxis-Austauschreihe zu Psychologie und Transformation, die am 15.05.2024 im Gästehaus der Bergischen Universität Wuppertal stattfand. 

Das Zitat spielt auf die pluralistische Ignoranz an - eines der Phänomene, die in den Impulsvorträgen aus der psychologischen Forschung zur Wahrnehmung sozial-ökologischer Transformationsprozesse vorgestellt wurden. Gemeint ist damit (in diesem Fall), dass die Unterstützung von verschiedenen Klimaschutzmaßnahmen in der Gesellschaft häufig unterschätzt wird. Dies stellte Jean-Henri Huttarsch anhand verschiedener Beispiele aus seiner Forschung zum sozialen Nachhaltigkeitsbarometer heraus. Das soziale Nachhaltigkeitsbarometer ist das Ergebnis einer jährlichen Studie des Forschungsinstituts für Nachhaltigkeit (RIFS), die die gesellschaftliche Stimmung zur Energie- und Verkehrswende erfasst. 

Tagungsreihe zu Psychologie & Transformation

Da viele technische und politische Ansätze für eine nachhaltigere Gesellschaft auf soziale und psychologische Hindernisse stoßen, organisieren Germanwatch und das Zentrum für Transformationsforschung und Nachhaltigkeit (transzent) der Bergischen Universität Wuppertal im Jahr 2024 eine Reihe von drei Fachtagungen, die diesen Herausforderungen begegnen sollen. Im Jahr 2025 wird eine weitere Fachkonferenz folgen. 

Mehr Informationen zur Reihe gibt es hier

Die Austauschreihe bringt führende Wissenschaftler:innen und Praxis-Akteur:innen zusammen, um Erkenntnisse aus der sozial-, kognitions- und umweltpsychologischen Forschung zu teilen und deren praktische Anwendung zu fördern. Ziel ist es, menschliche Wahrnehmung, Kognition, Emotion und Motivation im Kontext von Nachhaltigkeitskrisen zu verstehen und Strategien für erfolgreiche Transformationsprozesse zu entwickeln.

Das Zentrum für Transformationsforschung und Nachhaltigkeit (transzent) ist ein interdisziplinäres Zentrum der Bergischen Universität Wuppertal und wurde in Kooperation mit dem Wuppertal Institut gegründet. Es schlägt eine Brücke von der Universität zur Praxis, indem durch transdisziplinäre Forschung Experimentierräume für sozial-ökologische Transformationsprozesse geschaffen werden. 

Hier geht es zur Webseite.

Rückblick auf die ersten beiden Tagungen

Der Fokus der ersten Fachtagung am 15.05.2024 lag auf der Wahrnehmung. Aufbauend auf den Erkenntnissen aus dem zuvor bereits vorgestellten sozialen Nachhaltigkeitsbarometer wurde festgehalten, dass die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen maßgeblich vom Vertrauen in Institutionen und dem Wunsch nach einer gerechten Verteilung der Lasten abhängt. 

Prof. Dr. Wilhelm Hofmann führte seinen Impuls ein, indem er auf eine wichtige Entwicklung in der psychologischen Forschung hinwies: statt die Forschung nur auf individuelle Verhaltensänderungen (“i-frame”) zu fokussieren, werden mittlerweile vermehrt auch strukturelle Veränderungen („s-frame“) betrachtet und analysiert. So wird ermöglicht nicht nur das Individuum als Akteur in Transformationsprozessen aus psychologischer Sicht zu beforschen, sondern auch die systemischen Gegebenheiten miteinzubeziehen, die das Handeln und die Möglichkeiten der Individuen bestimmen. Konzepte wie der Handabdruck bieten die Möglichkeit, diese Strukturen und Rahmenbedingungen genauer zu betrachten und durch gesellschaftliches und politisches Engagement zu verändern. 

Bei der zweiten Fachtagung am 18.06.2024 mit dem Schwerpunkt Kognition wurde aufgezeigt, wie Menschen in Deutschland über Nachhaltigkeitskrisen und Lösungsansätze nachdenken und warum sie dabei oft zu ganz unterschiedlichen Schlüssen kommen. 

Dr. Magdalena Wischnewski zeigte in ihrem Beitrag, dass Gruppenzugehörigkeit, Vorlieben und motvierte Kognition eine entscheidende Rolle in Transformationsprozessen spielen, da sie beeinflussen, wie Menschen Informationen wahrnehmen und darauf reagieren. Die identitätsstiftende Funktion von Gruppenzugehörigkeit ist hierbei zentral. Diese Identifikation des Individuums mit einer Gruppe kann bei der Auseinandersetzung mit neuen Fakten, die mit der Identität der Gruppe in einem Widerspruch stehen, zu Ablehnung führen. 

Dr. Kevin Winter ergänzte in seinem Impuls, dass neben motivierter Kognition auch Verschwörungstheorien und bewusst gestreute Falschinformationen Hindernisse für die Akzeptanz von Transformationsmaßnahmen sind. Als mögliche Lösungsansätze aus der psychologischen Forschung zum Umgang mit diesen Herausforderungen wurden faktenbasierte Kommunikation und kognitive Flexibilität, die beispielsweise durch paradoxe Fragen oder die Thematisierung alternativer Handlungsabläufe ausgelöst werden kann. Zudem können extreme und festgefahrene Meinungen adressiert werden, indem Gemeinsamkeiten gesucht werden und auf diesen aufbauend versucht wird, Einstellungsänderungen auszulösen.

Motivierte Kognition bezeichnet das Phänomen, das viele Menschen an ihren bestehenden Meinungen festhalten, obwohl es vielfältige Argumente für gegenteilige Meinungen gibt (Kunda 1990 & Wischnewski 2022).

Kognitive Flexibilität bezeichnet einen „mentalen[n] Zustand, in dem Menschen eher dazu neigen, Alternativen in Betracht zu ziehen“ (Winter et al. 2021: 958).

Tagungen als wichtiger Austauschraum

Die Fachtagungen bieten einen Raum zum Trialog zwischen der psychologischen Forschung, Praxis-Akteur:innen und der Transformations- und Nachhaltigkeitsforschung. 

Zum einen gab es bei den bisherigen Veranstaltungen einen interdisziplinären Austausch, in dem Psycholog:innen ihr Fachwissen für die Transformations- und Nachhaltigkeitsforschung zugänglich gemacht haben und anschließend gemeinsam mit dem Publikum in einen produktiven Austausch und ein gegenseitiges Lernen gehen konnten. Dieser Austausch wurde sehr gut von Vertreter:innen der angewandten Nachhaltigkeitsforschung angenommen und viele der Teilnehmenden der ersten Tagung haben auch an der zweiten Veranstaltung der Reihe teilgenommen, um den Lernprozess weiter auszubauen. 

Zum anderen gab es auch einen wirkungsvollen transdisziplinären Austausch - also einen Austausch zwischen Forschenden und Praxisakteur:innen, in dem die gewonnen Erkenntnisse aus Psychologie sowie Transformations- und Nachhaltigkeitsforschung auf Praxisbeispiele angewendet wurden. So konnten in Kleingruppen erste Lösungsansätze für bestehende Herausforderungen der Mobilitäts-, Energie-, Agrar- und Ernährungswende entwickelt werden. Gleichzeitig wurde aber auch der Raum in die andere Richtung geöffnet und Problemstellungen sowie Lösungsansätze aus der Praxis wurden der Wissenschaft mit auf den Weg gegeben. Ein solcher transdisziplinärer Austausch und darauf aufbauende transdisziplinäre Forschung geben die Möglichkeit zu experimentieren, aus Fehlern zu lernen, Chancen zu erkennen und wichtige Impulse für Transformationsprozesse zu setzen.

Insgesamt brachten die bisherigen Fachtagungen zahlreiche motivierte Akteur:innen aus Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft sowie Forschende aus der Psychologie und der angewandten Nachhaltigkeitsforschung zusammen, die in einem sehr entspannten, offenen und produktiven Rahmen gegenseitig voneinander lernen und gemeinsam an Lösungen für Transformationsherausforderungen arbeiten konnten. Die positive Resonanz und die hohe Teilnahme bei beiden Veranstaltungen unterstreichen den Bedarf an diesem Austausch zu Psychologie und Transformation. Besonders erfreulich war die starke Vertretung der Zivilgesellschaft und die zunehmende Beteiligung von Politik und Verwaltung bei der zweiten Fachtagung. 

Ausblick auf die dritte Fachtagung im Oktober 2024

Weitere Informationen zur Veranstaltung sowie die Möglichkeit sich für diese Tagung anzumelden, sind zu einem späteren Zeitpunkt hier zu finden. 

Am 22.10.2024 werden sich erneut Entscheidungsträger:innen und Praktiker:innen aus Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft mit Forschenden zur dritten Fachtagung treffen, um wichtige Erkenntnisse aus dem Bereich Emotion auf Transformationsprozesse anzuwenden. 

Im Jahr 2025 wird die Reihe dann mit einer Fachkonferenz finalisiert, bei der die Erfahrungen und Erkenntnisse der drei Fachtagungen gebündelt werden und eine noch größere Anzahl an Menschen erreicht.

Förder:innen und Unterstützer:innen

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Literatur

Kunda, Z. (1990): The case for motivated reasoning. Psychological Bulletin 108(3): 480–498. Online unter: https://doi.org/10.1037/0033-2909.108.3.480

Winter, K.; Scholl, A.; Sassenberg, K. (2021): A matter of flexibility: Changing outgroup attitudes through messages with negations. In: Journal of Personality and Social Psychology 120(4): 956-976. Online unter: https://dx.doi.org/10.1037/pspi0000305

Wischnewski, M. (2022): Misinformation on social media: Investigating motivated reasoning through an identity-protection model. Online unter: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:465-20220308-103029-8

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