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Grafik der Erdkugel, auf einzelne Orte wird herangezoomt

Verpasste Chancen zur Stärkung von BNE

UN-Zukunftsgipfel und Hamburger Nachhaltigkeitskonferenz sind wichtig, aber sie erfüllen die Erwartungen nicht

Ende September fand der Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen statt. Bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs im Rahmen der UN-Generalversammlung war auch Simon Zerzawy dabei, der gerade sein Freiwilliges Soziales Jahr im politische Leben im BNE-Team von Germanwatch macht. Beim Zukunftsgipfel war er als Jugendbeobachter Teil der von Bundeskanzler Olaf Scholz angeführten deutschen Delegation. Unterstützt wird das Jugendbeobachter-Programm durch das Auswärtige Amt und die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen. In diesem Blogbeitrag berichtet Simon von seinen Erlebnissen beim Zukunftsgipfel und der Bedeutung des Gipfels und der Hamburger Nachhaltigkeitskonferenz für die sozial-ökologische Transformation.

Der UN Summit of the Future fand Ende September 2024 statt und war der Abschluss eines mehrere Jahre andauernden Prozesses. Das Abschlusspapier, der Pact for the Future, enthält insgesamt 56 Aktionspunkte. Ihm angegliedert sind eine Erklärung zu zukünftigen Generationen und zur internationalen Digitalpolitik. Deutschland war gemeinsam mit Namibia Verhandlungsführung und war für den Entwurf des Pacts verantwortlich. 

Der Pact ist hier in seiner Originalfassung und hier in einer vereinfachten Übersicht nachzulesen.

Der UN Summit of the Future, auf Deutsch der Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen, und die Hamburger Nachhaltigkeitskonferenz (HSC) liegen hinter uns. Beides waren für Germanwatch als Organisation und insbesondere für den Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) wichtige strategische Veranstaltungen. Zum einen, weil sie es geschafft haben, das Vertrauen in den Multilateralismus wieder zu stärken. Zum anderen, weil sie die Möglichkeit geboten haben, das Thema Bildung erneut in den politischen Fokus zu rücken.

Als Jugendbeobachter beim UN-Summit of the Future

Die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen schreibt regelmäßig Programme für Jugenddelegierte und Jugendbeobachter:innen zu verschiedenen UN-Gremien aus. Beworben habe ich mich im Frühjahr 2024 und nach mehreren Auswahlrunden war ich Teil der Jugendbeobachter:innen zum Summit of the Future. 

Im Team mit den anderen fünf Jugendbeobachter:innen habe ich mich schon im Vorfeld der Konferenz intensiv mit den Entwürfen für den Pact for the Future beschäftigt. Uns und mir war es wichtig, durch Gespräche möglichst diverse Perspektiven zum Zukunftspakt einfangen zu können, um diese nun wieder in Deutschland zu teilen. Dazu gehörte der Austausch mit verschiedenen UN-Organisationen vor Ort, wie zum Beispiel dem New Yorker Büro des UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees). Das ist die UN-Organisation für Geflüchtete. Diese hat im Zuge des Summits einigen geflüchteten jungen Menschen die Teilnahme ermöglicht. Beeindruckt hat mich auch die Rede von UN-Generalsekretär Antonio Guterres, der sehr eindringlich die Beteiligung von jungen Menschen an Entscheidungsprozessen forderte. 

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Jugendbeobachter:innen mit Olaf Scholz
Simon Zerzawy (2.v.l. mit Bundekanzler Olaf Scholz beim Summit of the Future (Foto: DGVN/Felix Deist)
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Wertvoll waren für mich auch Austausch mit Bundestags- und Europaabgeordneten wie Tiemo Wölken (SPD) und Ottmar von Holtz (Bündnis 90/Die Grünen). Dabei ging es auch immer wieder um die Frage, wie das deutsche internationale Engagement verständlicher vermittelt werden kann, damit es in der Bevölkerung wieder mehr Rückhalt bekommt.

Internationale Lobbyarbeit und ihre Rolle für transformative Bildung

Das internationale Engagement und die daraus hervorgehende Arbeit der Vereinten Nationen ist für die Stärkung einer transformativen Bildung in Deutschland und weltweit unerlässlich. Das UNESCO-Programm BNE2030 hat es geschafft, das hervorzuheben, was uns auch bei Germanwatch schon lange wichtig ist: Menschen müssen befähigt werden, selbst aktiv zu werden und Strukturen nachhaltig zu verändern. 

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Gesprächsrunde mit Antonio Guterres während des Summits for the Future
Gesprächsrunde mit Antonio Guterres während des Summits for the Future (Foto: Simon Zerzawy)
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Das UNESCO-Programm „Bildung für nachhaltige Entwicklung: die globalen Nachhaltigkeitsziele verwirklichen (BNE 2030)“ ist das globale Rahmenprogramm für die Umsetzung von BNE im Zeitraum von 2020 bis 2030.

Eine Herausforderung bei internationalen Programmen der UN ist ihre Unverbindlichkeit. Umso wichtiger ist es, dass regelmäßig Referenz zu ihnen gezogen wird und die Programme hinsichtlich ihrer Umsetzung in die Praxis geprüft sowie die Hindernisse beleuchtet werden. Der UN Summit for the Future war aus unserer Sicht hierfür eine gute Möglichkeit.

Was der Summit gebracht hat

Angesichts der derzeit angespannten Sicherheitslage auf der Welt standen die Themen Frieden und Sicherheit im Zentrum der Beratungen. Bildung für nachhaltige Entwicklung hingegen stand nicht im Fokus - und das obwohl BNE der Grundstein ist, um Menschen bereits in jungem Alter zu befähigen und ihnen Möglichkeiten aufzuzeigen, sich für strukturelle Veränderungen bei Themen wie  Demokratie,Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen. Die Chance, diese Themen zusammen zu denken und einen Handabdruck hin zu einer transformativeren Bildung zu hinterlassen, wurde beim Summit of the Future vertan.  

Der Pact for the Future ist insgesamt vor allem eine Beschreibung bestehender Verhältnisse. Viele Diplomat:innen vor Ort haben zwar immer wieder betont, dass der Pakt ein Erfolg ist, da er ein Konsensdokument ist – obwohl die G77 und Russland bis zuletzt Widerstand geleistet hatten. Ein positives Zeichen am Rande des Zukunftsgipfels war auch, dass wir bald messen können, wie stark junge Menschen ihre eigenen Bildungsrealitäten mitgestalten können: Jugendbeteiligung wird zukünftig ein Indikator im Global Education Monitoring (GEM-Report) der UNESCO sein. Der Report wird von einem unabhängigen Team erstellt und beleuchtet die weltweiten Fortschritte im Bildungsbereich. Ein zentraler Fokus liegt dabei auf der Erfassung von Ungleichheiten und der Untersuchung, wie Bildungssysteme inklusiver gestaltet werden können. Dennoch: Deutschland hätte noch viel stärker in den Pact hineinwirken und die Zivilgesellschaft in den Prozess einbinden müssen.

Simon Zerzawy vor der Generalversammlung
Simon Zerzawy in der Generalversammlung der Vereinten Nationen (Foto: Simon Zerzawy)

Umso wichtiger ist es, sich jetzt in Deutschland für eine konsequente und ambitionierte Umsetzung des Zukunftspaktes einzusetzen. Ein erster wichtiger Schritt dafür war die Hamburger Nachhaltigkeitskonferenz (HSC) am 07. und 08. Oktober 2024. Das neu eingeführte Format wurde vom Germanwatch-Geschäftsführer Christoph Bals mit vorbereitet.

Die erste Hamburger Nachhaltigkeitskonferenz (HSC) richtet sich als neues globales entwicklungspolitisches Diskussionsforum an Vertreter:innen aus  Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und multilateralen  Organisationen.

Wie auch beim Zukunftsgipfel war es das Ziel, möglichst konkrete Handlungsschritte zu beschließen. Und auch in Hamburg wurde die Notwendigkeit gemeinsamen Handelns aller politischen Akteure deutlich. Es gab Einigkeit darüber, dass wir Hunger und anderen Fluchtursachen in der Zukunft nur entgegenwirken können, wenn wir heute handeln und umfassend in Klimaschutz investieren.

Eine Konferenz allein wird dies nicht richten

Wir müssen Menschen befähigen, sich selbst im persönlichen Umfeld und auf der politischen Bühne für Nachhaltigkeit einzusetzen. Deshalb braucht es eine Stärkung von Bildung für nachhaltige Entwicklung und nicht eine strukturelle Schwächung, wie sie das BMBF derzeit plant. Und wir müssen junge Generationen in den Blick nehmen, sie hören und auf ihre Bedürfnisse reagieren.

Laut einer Umfrage des Jugendbeirates des Bundesentwicklungsministeriums und der ONE-Jugendbotschafter unter jungen Menschen vor allem aus Afrika und Europa braucht es mehr finanzielle Unterstützung und bessere Bildungsangebote zu den globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs), damit junge Menschen ihre Perspektiven zu den Nachhaltigkeitszielen der UN einbringen können. Jungen Menschen ist der Umfrage zufolge aber auch eine hochwertige Bildung und der Zugang zu dieser wichtig. Bessere Bildungsfinanzierung und mehr Stipendien für benachteiligte Gruppen seien dafür erforderlich. Die politische Bildung müsse zudem bereits in einem frühen Alter gestärkt werden.

Die Umfrage wurde bei der HSC im Beisein der UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell vorgestellt – doch auch bei der HSC war Bildung kein Fokusthema. Das muss sich nun ändern und Deutschland muss die Maßnahmen zu Bildung, die im Pact for the Future genannt sind, zügig umsetzen. Dafür habe ich auch im Bundestag geworben: Als Sachverständiger habe ich im Nachgang des Zukunftsgipfels im Unterausschuss Vereinte Nationen deutlich gemacht, dass das Programm BNE2030 nicht in Vergessenheit geraten darf, sondern gelebte Wirklichkeit werden muss.

Für mich als Jugendbeobachter und für uns bei Germanwatch heißt es nun: Hinsehen, analysieren und einmischen, wenn es um die Umsetzung des Zukunftspaktes geht. Und auch ihr könnt aktiv sein: Macht in eurer Arbeit auf den Pact for the Future aufmerksam und verweist in Gesprächen mit der Politik auf seine Bedeutung. Je lauter wir sind, desto besser.  

Illustration zum Beitrag: Benjamin Bertram

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